29. Oktober 2012

Koreanischer Film: Planet of Snail

Reykjavík International Film Festival (RIFF) Review #3

Young-Chan ist taub und blind. Er hat gelernt zu sprechen, als er noch sehr jung war, doch kurz darauf verlor er sein Hör- und Sehvermögen. Eines Tages tritt die verständnisvolle und lebhafte Soon-Ho in sein Leben, die selbst an einer Rückenbehinderung leidet und deshalb zu klein ist, um viele Dinge zu tun. Soon-Ho weiß, was es bedeutet einsam zu sein und schon bald wird sie zu einem untrennbaren Teil von Young-Chans Leben. Soon-Ho ist für Young-Chan Ehefrau, Seelenverwandte und zugleich eine Verbindung zur Welt um ihn herum. Die beiden kommunizieren durch eine Blindensprache miteinander, bei der die Worte auf die Hände des jeweils anderen geklopft werden. Als Young-Chan lernt, Bücher in Blindenschrift zu lesen, eröffnet sich ihm eine völlig neue Welt. Er verbringt die meist Zeit damit zu lesen und in ihm keimt der Wunsch auf, selbst ein Buch zu schreiben. Gemeinsam meistern Young-Chan und Soon-Ho ihr Leben und vertrauen dabei vollkommen aufeinander. Doch Young-Chan muss lernen auch alleine überleben zu können. Während seine Frau unruhig Zuhause wartet, stürzt Young-Chan sich eines Tages in das größte Abenteuer seines Lebens.

Planet of Snail

Planet of Snail erzählt eine unvergessliche und faszinierende Liebesgeschichte, wie keine andere.
Regisseur Seung-Jun Yi gibt uns einen Einblick in Young-Chans und Soon-Hos Alltag und lässt uns beobachten, was für eine große Herausforderung das Wechseln einer Glühbirne darstellen kann. Umso inspirierender und beeindruckender ist es mit anzusehen, wie Young-Chan und Soon-Ho durch ihre Zusammenarbeit auch diese Schwierigkeit überwinden. Die Liebesgeschichte zwischen Young-Chan und Soon-Ho ist gerade so süß, da den beiden keineswegs der Sinn für Humor fehlt. Die Zwei genießen ihr Leben so sehr wie möglich und so lockern ihre neckenden Witze stets die Stimmung auf. Als Soon-Ho ihren Mann etwa fragt, was er gerade macht, antwortet er gewitzt: "I'm talking to the tree. We're dating now. Don't bother us."

Kontinuierlich spürbar ist auch Young-Chans Liebe zur Natur. Wir beobachten, wie er das Gefühl von Regentropfen auf der Haut genießt und den Duft und die Beschaffenheit von Baumrinde und Tannenzapfen studiert. Planet of Snail wirkt dennoch nie überladen, weder mit Romantik noch mit Sentimentalität. Im Gegenteil zeigt Planet of Snail einen äußerst positiven Umgang mit dem Thema Behinderung. Young-Chans Behinderung eröffnet einen neuen Blick auf unsere Welt. Denn gerade weil Young-Chan blind ist, kann er gewisse Dinge wahrnehmen und sich dadurch so weise über unsere Welt äußern. Planet of Snail ist ein tief bewegender und lebensbejahender Film, den man mit Freude schaut. Die Geschichte ist klar, einfach und magisch und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Ein wundervoller Film über Liebe, den Umgang mit Behinderungen, das Auskosten von Sinneseindrücken und das Leben im Hier und Jetzt.

"Though no star has glittered in my eyes, I have never doubted that they are shining bright in space." - Young-Chan


Planet of Snail
Korea/Japan/Finnland 2011
Dokumentation, 89 Min.
Regie: Seung-Jun Yi
Musik: Seongki Min
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23. Oktober 2012

Französischer Film: Queen of Montreuil

Reykjavík International Film Festival (RIFF) Review #2

"Was ist das?" - "Das ist mein Ehemann.", antwortet die blasse Frau und hält dabei den Behälter umklammert, der die Asche ihres Ehemanns beinhaltet. "Ich bin jetzt alleine."

Es ist Frühsommer im Pariser Vorort Montreuil, als die Filmregisseurin Agathe mit der Asche ihres verstorbenen Ehemanns zurückkehrt. Auf dem Heimweg begegnet sie den Isländern Anna und Úlfur, die auf ihrer Reise von Jamaica nach Island in Frankreich stecken geblieben sind. Noch gelähmt vom Kummer über den Verlust ihres Mannes, lädt Agathe die beiden völlig unüberlegt dazu ein bei ihr zu wohnen. Zunächst noch um ihren Ehemann trauernd, ahnt Agathe nicht, dass der Einzug der jointrauchenden Dichterin Anna und ihres lebensfrohen Sohns nur einen Stein ins Rollen gebracht hat. Neben allem möglichem Unsinn, den die beiden veranstalten, den bestehenden Sprachbarrieren und einem verschwundenen Hochzeitskleid, sitzt eines Tages auch noch ein depressiver Seehund in Agathes Badezimmer und ihr Nachbar, den sie schon immer heimlich begehrt hat, scheint plötzlich großes Interesse an ihr zu haben. All dies gibt Agathe endlich die Kraft, um ihr Leben wieder in die richtige Bahn zu lenken.

Florence Loiret Caille, Didda Jónsdóttir, Úlfur Ægisson

Sólveig Anspachs Queen of Montreuil ist ein absolut süßer und bezaubernder Film, der Agathe dabei folgt, wie sie versucht ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. In einer Mischung aus Drama und Komödie zeigt Sólveig Anspach die Überwindung eines großen Verlust. Doch dabei nimmt eindeutig die Komödie den größeren Teil für sich ein, denn neben einigen bewegenden Momenten wird man vor allem ständig durch die Absurdität der Situationen zum Lachen gebracht. Queen of Montreuil ist ein wunderbar verrückter Film, der vor allem durch seinen märchenhaften Charme überzeugt, der auch in anderen französischen Filmen wie Die fabelhafte Welt der Amélie zu spüren ist. Queen of Montreuil versetzt dich in eine gute Stimmung und hinterlässt definitiv ein Lächeln auf deinen Lippen.


Queen of Montreuil
Frankreich 2012
Drama/Komödie, 87 Min.
Regie & Drehbuch: Sólveig Anspach
Musik: Martin Wheeler
Mit Florence Loiret Caille, Didda Jónsdóttir, Úlfur Ægisson, Eric Caruso, Samir Guesmi und Alexandre Steiger
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14. Oktober 2012

Internationaler Film: ¡Vivan las Antipodas! - Es leben die Gegenpole!

Reykjavík International Film Festival (RIFF) Review #1


Die Ruhe und Harmonie im argentinischen Entre Ríos könnte kaum vollkommener sein, als die Sonne langsam aufgeht und die Landschaft in rotgoldenes Licht taucht. Auf der anderen Seite der Welt ragen die Hochhäuser der chinesischen Metropole Shanghai gespenstisch in den smogdurchsetzten Himmel empor. Menschen wimmeln wie Ameisen durch die Gassen, Autos rasen durch die Straßen und die kaum erfassbaren Sinneseindrücke und der ständige Lärm scheinen die Hektik zu vollenden.

In seinem Film ¡Vivan las Antipodas! - Es leben die Gegenpole! nimmt uns der preisgekrönte Dokumentarfilmer Victor Kossakovsky mit auf eine Reisen mitten durch die Erde. Denn wie sieht es auf der jeweils gegenüberliegenden Seite der Erde aus und was passiert dort? Um diese Fragen zu beantworten erforscht Victor Kossakovsky vier Antipoden-Paare und versetzt den Zuschauer durch atemberaubende Kameraaufnahmen in acht unterschiedliche Welten. Seine Kamera folgt der glühenden Lava, die sich auf Big Island, Hawaii langsam und bedrohlich knirschend ihren Weg bahnt und wirft uns andererseits hinein ins friedliche Leben der Bewohner eines Dorfes in Kubu, Botswana, begleitet von Aufnahmen wilder Elefanten und Löwen. Auf unserer Reise beobachten wir Menschen, die in Chile und Russland in völliger Einsamkeit vor der Kulisse beeindruckender Landschaften leben und sehen die Rettungsversuche für einen gestrandeten Wal in Neuseeland.

¡Vivan las Antipodas! - Es leben die Gegenpole!, Victor Kossakovsky

Victor Kossakovsky versteht es auf innovative und interessante Weise mit den Perspektiven zu spielen; er dreht, krümmt und stellt unsere Welt regelrecht auf den Kopf und meistert die Übergänge vom einem Ort zum anderen geschickt. Er lässt uns Landschaften von gewaltiger Schönheit erblicken und verpasst dennoch nicht die Gelegenheit uns zum Schmunzeln zu bringen.
Es entsteht der Eindruck, als seien die Unterschiede zwischen den verschiedenen Antipoden offensichtlich und doch scheinen die Orte miteinander in Verbindung zu stehen. Die akustischen Hinterlegungen unterstreichen diesen Gedanken, indem traditionelle Klänge aus Hawaii zu hören sind während wir das Dorf in Botswana beobachten und dafür Musik aus Botswana erklingt wenn wir über das Vulkanfeld in Hawaii schweben. Immer mehr scheinen die Antipoden miteinander zu verschmelzen und ihre Geschehnisse verschlingen ineinander. Trotz des Fehlens einer wirklichen Handlung und zeitweiligen Passagen der Verwirrung darüber an welchem Ort man sich gerade tatsächlich aufhält, gelingt es Victor Kossakovsky uns unsere Welt aus einer neuen Sicht zu präsentieren und ein wahres Meisterwerk für die Sinne zu schaffen.


¡Vivan las Antipodas! - Es leben die Gegenpole!
Deutschland/Argentinien/Niederlande/Chile 2011
Dokumentation, 108 Min.
Regie & Drehbuch: Victor Kossakovsky
Musik: Alexander Popov

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5. Oktober 2012

Reykjavík im Filmfieber: Das Reykjavík International Film Festival

Reykjavík lebt! Sein Herz schlägt für den Film, es pumpt alte Klassiker und neue Inspirationen der Filmszene durch die Venen der Stadt. Auch dieses Jahr treibt das Reykjavík International Film Festival (RIFF) wieder unzählige Filmbegeisterte in die Kinos der isländischen Hauptstadt. Dabei erfreut es sich nicht nur bei den Einheimischen großer Beliebtheit, sondern lockt ebenso Regisseure, Produzenten und Filminteressierte aus dem Ausland an.


Das Reykjavík International Film Festival wurde im September 2004 von einer überschaubaren Gruppe von Filmexperten und -enthusiasten unter der Leitung von Hrönn Marinósdóttir gegründet. Ihr Ziel war es neue und progressive Qualitätsfilme zu präsentieren sowie die Förderung der Innovation der Filmproduktion, die Vernetzung von Fachleuten aus unterschiedlichen Teilen der Welt und den sozialen und kulturellen Dialog zu unterstützen. Seitdem findet das Reykjavík International Film Festival jedes Jahr im späten September statt und zeigt an elf Tagen ein großes Angebot an Filmen aus über 40 Ländern.

Doch was macht das Reykjavík International Film Festival so besonders? Das Film Festival legt sein Augenmerk vor allem auf unabhängige Filmproduktionen aus der ganzen Welt und möchte aufstrebenden Nachwuchstalenten die Chance geben ihre Filme zu zeigen. Das Reykjavík International Film Festival unterstützt zudem die Interaktion zwischen Film und anderen Kunstformen durch z.B. die Organisation von Konzerten und Fotoausstellungen. Doch auch die vielen Special Events machen das Reykjavík International Film Festival zu einem ganz besonderen Erlebnis. Die Zuschauer können gemütlich im Wohnzimmer eines Regisseurs einen alten Klassiker schauen, beim Swim-In Cinema im Schwimmbecken entspannen während über die Leinwand ein Film flimmert oder beim Film Concert die einmalige Kombination aus Live-Musik und Fritz Lang’s Metropolis (1927) erleben.

Das diesjährige Reykjavík International Film Festival (27.Sept. - 7.Okt. 2012) findet noch bis Sonntagabend statt. Bereits jetzt habe ich in so kurzer Zeit so viele Filme gesehen, wie schon lange nicht mehr. Vertreten war dabei fast alles - Dokumentarisches, Experimentelles, Trauriges, Witziges, Ungewöhnliches, Abstoßendes, Aufrüttelndes und Grausames. Neben wenigen schlechten Filmen, habe ich vor allem viele gute gesehen von denen ich sonst vermutlich nie erfahren hätte. Einige der Filme, welche mir am besten gefallen haben, möchte ich euch daher bald vorstellen.
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Hello Iceland.

Endlich geschafft. Zwar bereits seit Langem geplant, aber irgendwie fehlte bisher doch immer die Zeit diesen Blog ins Leben zu rufen. Doch von nun an möchte ich euch ein wenig an den Dingen teilhaben lassen die mich interessieren, beschäftigen und bewegen. Deshalb werde ich hier auch von vielen unterschiedlichen Themen berichten - von Musik, Film, Literatur, Reisen, Alltäglichem und vielem mehr.


Doch besonders ein Thema wird im Moment vorwiegend in meinen Einträgen wiederzufinden sein und das ist Island! Da ich aufgrund meines Auslandssemesters zur Zeit in Reykjavík lebe, werde ich viel über dieses einzigartige Land berichten über das die wenigsten wirklich viel wissen. Ich möchte euch Island auf eine völlig neue Weise näher bringen und zeigen, dass das allgemeine Bild, welches uns von Island vermittelt wird nicht unbedingt immer der Realität entspricht. Ihr werdet Island aus einer neuen Perspektive kennenlernen und zusammen mit mir Land, Kultur, Sprache und Menschen ergründen. Ich werde euch daher von meinen ungewöhnlichen, lustigen und spektakulären Erlebnissen und Entdeckungen erzählen und einige Fotos mit euch teilen.
Also seid gespannt, was mir in Island so alles passieren wird!
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